Spielen? Gerade jetzt!
Mutmachgeschichten
Wie jede Krise, brachte die Corona-Krise, bei allem Leid, auch Chancen mit sich. Die Menschen konnten zum Innehalten kommen und sich wieder mehr auf ihren angeborenen Spieltrieb besinnen, der seinen Ausdruck braucht und uns gesund erhält. Beim Spielen verbindet man sich mit dem, was man tut, man kann auftanken, statt sich nur abzulenken, Lebendigkeit spüren, statt Zeit totzuschlagen.
In jeder Lebensphase bietet das Spielen eine wunderbare Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen, verschüttete positive Gefühle zu entdecken, spielend mit Niederlagen umzugehen und Lebensfreude, Glücksmomente und Bereicherung zu erfahren (s. auch "Gesundheit, Glück, Lebenskunst rund ums Spiel").
Spielerische Kreativität war besonders in der Zeit des Lockdowns gefragt und von vielen Familien wurde uns rückgemeldet, dass so viel wie schon seit langem nicht mehr - oder noch nie - gespielt wurde. Denn, wenn auch viele Familien in den Zeiten des Lockdowns und des Homeschoolings absolut an ihre Grenzen kamen, so gab es doch auch Mutmachgeschichten, die uns Eltern, Kinder und Jugendliche berichteten:
· Die Mutter des 10-jährigen Matthias erzählte von einer großen Legostadt, die ihr Sohn zusammen mit dem jüngeren Bruder Tobias errichtet hat. Die beiden hatten sich während der Schulzeit so gezankt, dass Matthias nicht einmal mehr im gleichen Zimmer wie sein Bruder sein wollte.
· Die Familie des körperbehinderten 9-jährigen Jonas genoß die Momente des gemeinsamen Spielens am Nachmittag, für das aufgrund der vielen Therapien in den letzten Monaten wenig Zeit blieb.
· Die 15-jährige Lena, die sich aufgrund depressiver Verstimmungen in ihr Zimmer zurückgezogen hatte, erzählte, dass die Familie am Abend eine Runde „Stadt-Land-Fluß“ spielt und sie sich jeden Tag auf die gemeinsame Familienzeit freut.
· Die Eltern von Kevin (10 J.), die sich seit einiger Zeit über seine Computerspielabhängigkeit große Sorgen machten, berichteten, dass sie einen täglichen Waldspaziergang eingeplant hatten. Kevin konnte sich hier richtig auspowern und mit einem Stecken seine „Phantasiefeinde“ besiegen, er war wesentlich ausgeglichener und es gab kaum Streitereien über die PC-Spielezeit.
· Die 13-jährige Sophia erzählte von einer schönen gemeinsamen Zeit mit ihrer alleinerziehenden Mutter, in der sie seit langem wieder miteinander Karten spielten und sich ungezwungen unterhalten haben.. Das hatte es in dem straff durch getakteten Alltag schon lange nicht mehr gegeben.
· Der Jugendliche Dirk, 12, ging jeden Tag nach dem Homeschooling mit seinem Vater in die Polsterei und half ihm bei kleinen Aufgaben. Im Gegenzug spielten beide am Abend eine Runde Kicker miteinander, was Jonas sehr genoß, da er seinen Vater inzwischen besiegen kann.
. Ein Vater, der seine Kinder jeweils am Wochenende sieht, berichtete: vor einiger Zeit habe ich mit meinen Kindern samstags im wöchentlichen Wechsel einen Spiele- bzw. Fernsehabend mit Papa eingeführt. Beim Fernsehabend haben sie die Wahl, stattdessen einen Spieleabend zu machen und haben dies schon 2mal hintereinander gerne angenommen.
· Endlich, erzählt die Mutter der 11-jährigen Lena, konnten wir zusammen den Tod des Vaters und Ehemanns betrauern, der vor 5 Monaten gestorben war. Wir taten dies, indem wir wieder miteinander spielten, sowie wir es oft zu dritt getan hatten. Neben der Trauer kamen eben auch viele schöne und lustige Erinnerungen hoch, über die wir dann gemeinsam nachdenken konnten.
· Frau G. erzählte, wie sie mit ihrem Mann, beide etwas über 80 Jahre alt, mit Kindern, Geschwistern und Enkelkindern, wenn diese Lust darauf hatten, mehrfach ein altes Familienspiel per Zoom gespielt haben und dieses neue Ritual jetzt mit Sicherheit weitführen werden, da es allen Beteiligten soviel Spaß macht.
Wir wünschen uns, dass diese Spielzeiten weiter fortgesetzt werden und der Alltag Raum und Zeit für die Spielbedürfnisse aller Altersgruppen zulässt. Da die Kinder, Jugendlichen und Erwachsenen in dieser besonderen Zeit wieder in Kontakt mit ihrem ureigenen Spieltrieb gekommen sind, sind wir optimistisch.
Nachfolgend noch eine Auswahl der Lieblingsspiele aus der Zeit des Lockdowns.
Lieblingsspiele aus der Zeit des Lockdowns
Der Lockdown hatte den Spiel- und Beschäftigungstrieb der Kinder, Jugendlichen und auch der Erwachsenen stark eingeschränkt. Freies ungezwungenes Spielen und Zusammensein mit anderen war Anfang des Jahres 2021 teilweise nur mit einer Kontaktperson pro Haushalt möglich.
Die Schulsituation mit Distanzunterricht und vorwiegend am Bildschirm des PCs, schilderten viele Kinder als anstrengend und kräfteraubend. Sie entschieden sich am Nachmittag bewusst für andere Beschäftigungen: Bewegung, Kreativität, Musik, Spielen abseits vom Bildschirm.
Aber auch in dieser Zeit wurde gespielt. Wir hatten Kinder und Bekannte in dieser Phase gefragt, was aktuell ihr Lieblingsspiel sei. Nachfolgend ein kleiner Auszug unserer kurzen Interviews, der aufzeigt, wieviele kreative Spielideen in dieser Zeit entstanden sind. Wir sind optimistisch, dass etliches davon auch nach der Pandemie weiter fortgeführt wird.
Leon, 11, bestimmte sofort den Ball zu seinem Lieblingsspielzeug. Er spielt Fußball im Verein und das gemeinsame Spiel vermisste er sehr. Mit einem Softball wurde ihm erlaubt, in der Unterführung zwischen den Mehrparteienhäusern seine Schusstechnik und seine Ballbeherrschung zu verfeinern. Ohne das stündliche Auspowern jeden Tag, meinte Leon, wäre er wohl ziemlich angenervt von der jetzigen Situation.
Magdalena, ein 10-jähriges lernbehindertes Mädchen, hatte ihre Leidenschaft für Papier und Stifte gefunden. Ihr Lieblingsspiel war es, auf große Makulatur- Rollen Wege und Zäune zu zeichnen und dazwischen ihre Playmobilfiguren zu stellen. Da nicht so viele Aussenkontakte stattfanden, durfte sie ihre Landschaften stehen lassen und konnte so jeden Tag in ihrer Geschichte weiterspielen.
Die 19-jährige Anna konnte ihr Auslandsstudiensemester leider nicht antreten und überbrückte ihre Zeit mit der Betreuung ihres 83-jährigen Großvaters. Beide wählten „GO“ als ihr derzeitiges Lieblingsspiel, weil sie mit ihren ausgeglichenen Partien schöne gemeinsame Stunden verbringen können und sich Gelegenheit für intensive Gespräche ergibt.
Die Abiturientinnen Marlene und Laura hatten das Kartenspiel „Lieberté´“ für sich entdeckt. Sie suchten sich zu ihrem täglichen Spaziergang ein Thema des innovativen Spiels aus und diskutierten pro und contra der Aussage. Das sei eine gute Übung für ihr bevorstehendes Abitur und einfach anders, als ständig am Bildschirm zu sitzen. Sie freuen sich schon darauf, es mit mehreren Klassenkameradinnen am Abend zu spielen. (www.lieberté-Kartenspiel.de).
Die 12-jährige Jana und ihre beiden jüngeren Schwestern hatten sich so sehr gewünscht, dass ihr Vater hin und wieder mit ihnen ein Gesellschaftsspiel spielt, noch dazu, weil er jetzt am Abend öfters zuhause war. Doch er konnte sich für Brettspiele nicht begeistern. Sein Lieblingsspiel ist und bleibt das Schafkopfen, mit seinen Freunden konnte er sich jedoch nicht treffen. Jana hatte die Idee, dass er doch der Mutter und den Geschwistern das Schafkopfen beibringen könnte und er erklärte sich dazu bereit. Es machte ihm Spaß, dass das Spiel bei allen gut ankam und er sich als guter Lehrmeister für seine Familie zeigen konnte.
Die 17-jährige Katharina puzzelt begeistert, diesmal lag die Herausforderung bei einem 2000 Teile 3-D-Puzzle.
Die Italienreise
Der 11-jährige Leonard berichtete, dass seine Familie am Samstag eine imaginäre Auslandsreise nach Italien gemacht habe. Italien, weil er und sein zwei Jahre älterer Bruder so gerne Italienisch essen. Am Abend vorher bekamen er und sein Bruder den Auftrag, im Internet Wissenswertes über Italien zu recherchieren. Sie einigten sich darauf, dass er etwas über das Land Italien zusammentrage und sein Bruder über die Hauptstadt Rom. Gemeinsam mit den Eltern wurde dann noch der Speiseplan erstellt und ausgemacht, wer was zubereitet.
Leonards Bruder erklärte sich bereit, die Pasta zu machen, sein Vater die Tiramisù. Die Mutter kümmerte sich um Frühstück und Abendbrot.
Frühstück
Mittagessen
Abendessen
Nach dem Frühstück fuhr die Familie in die nähere Umgebung und schaute sich eine alte Kirche an, coronakonform von außen. Auf dem Rückweg gab es eine lebhafte Diskussion über die Mafia. Zu Hause wurde dann noch wegen Italiens Liebe zum Fußball ein Tischkickertunier abgehalten: Italien gegen Deutschland. Dann wurde gekocht, gegessen und eine Siesta abgehalten. Nach der Siesta startete die Familie zu einem wissenschaftlichen Ausflug in den Universitätsgarten, in analogie zu Leornardo da Vincis wissenschaftlichem Engagement. Auf dem dortigen Gelände gab es verschiedene Experimentierstationen, die dazu einluden, etwas auszuprobieren. Zuhause stellten die Kinder dann ihr Wissen über das Land Italien und die Hauptstadt Rom vor, wobei Leonard aus seiner Präsentation ein Quiz machte.
Leonard erzählte, alle waren von der imaginären Reise so begeistert, dass sie als nächstes nach Griechenland reisen wollen.